Fledermäuse und das Virus

Aktuelle Informationen zu SARS-CoV-2 (Corona-Virus)

Aufgrund des weltweit verbreiteten SARS-Coronavirus 2 (SARS-CoV 2), der beim Menschen die Krankheit Covid-19 auslöst, kommt es in Deutschland auch weiterhin zu besorgten Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern bei im Fledermausschutz und in der Fledermausforschung tätigen Personen. Der Grund für die Besorgnis ist der Umstand, dass in den Medien regelmäßig über den Ursprung des humanen Virus SARS-CoV 2 spekuliert und Fledermäuse dabei allgemein als wahrscheinliche Quelle genannt werden. Dies ist jedoch eine stark vereinfachte Darstellung eines komplexen Sachverhalts, der immer wieder korrigiert werden muss, um falschen Vorstellungen, grundlosen Vorbehalten und Antipathien gegenüber einheimischen Fledermäusen entgegenzuwirken. Hierzu möchten wir einen Beitrag leisten und den aktuellen Kenntnisstand zusammenfassen, damit alle im Fledermausschutz und in der Fledermausforschung Tätigen mit guter Sachkenntnis auf ungenaue oder inkorrekte Presseartikel oder zum Beispiel in der Beratung an Fledermaus-Nottelefonen reagieren können.

  1. Einheimische Fledermausarten sind nach aktuellem Kenntnisstand (der auf zahlreichen Untersuchungen basiert) nicht mit SARS-CoV 2 infiziert und übertragen es somit auch nicht auf den Menschen. Es konnten zwar verschiedene Coronaviren in heimischen Fledermausarten nachgewiesen werden. Diese sind jedoch nur entfernt mit humanen SARS-Coronaviren verwandt und daher für Menschen irrelevant. Es ist zwar gelungen Ägyptische Nilflughunde (Rousettus aegyptiacus) mit SARS-CoV 2 zu infizieren, die Tiere zeigten aber keine Symptome und übertrugen die Infektion nicht auf ihre Artgenossen. In einem anderen Experiment gelang es trotz intensiver Bemühungen nicht, eine nordamerikanische Fledermausart (Eptesicus fuscus) mit SARS-CoV 2 zu infizieren. Dies könnte am Umstand liegen, dass die Bindungsregionen des Virus nicht effektiv an entsprechende Rezeptoren der Fledermäuse koppeln. In der Sommersaison 2020 wurden bundesweit 412 Fledermauskotproben von 15 Fledermausarten aus 4 Bundesländern (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern) gesammelt und alle negativ auf SARS-CoV 2 getestet.

  2. Das humane SARS-CoV 2 ist genetisch eng mit tierischen Corona-Viren verwandt, die in mehreren Tierarten gefunden wurden. Wie bei der großen Mehrheit der menschlichen Viren ist die plausibelste Erklärung für die Entstehung der sogenannten Corona-Pandemie ein zoonotisches Ereignis. Genetisch ähnliche Viren finden sich beispielsweise bei in China vorkommenden Hufeisennasen (Rhinolophidae) und in Schuppentieren. Es ist wahrscheinlich, dass das Virus zwar in Fledermäusen seinen Ursprung hatte, sich aber schrittweise – zuerst in einem Zwischenwirt (anderes Wildtier) weiterentwickelt hat, anschließend den Übersprung auf den Menschen geschafft und sich seitdem im Menschen selbst so verändert hat, dass es im Menschen Covid-19 auslösen konnte und die Übertragung der Krankheit von Mensch zu Mensch möglich wurde. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Evolution der Bindungsstellen wieder, mit denen sich Viren an ihre Wirte anpassen.

  3. Der Übertragungsweg von SARS-CoV-ähnlichen Viren von Fledermäusen auf den Menschen ist nach wie vor nicht geklärt. SARS-CoV 2 wurde jedoch höchstwahrscheinlich über einen Zwischenwirt, der noch nicht eindeutig identifiziert wurde, auf den Menschen übertragen. SARS-CoV-ähnliche Viren aus asiatischen und europäischen Hufeisennasen können nicht in menschliche Zellen eindringen, da Oberflächenproteine von SARS-CoV-ähnlichen Viren nicht effizient an entsprechende Enzyme (humanes ACE2) des Lungenepithels des Menschen binden können. Deswegen sind selbst genetisch eng verwandte SARS-CoV-ähnliche Viren, die bei Hufeisennasen gefunden wurden, für Menschen nicht unmittelbar infektiös. Eine direkte Übertragung von Coronaviren von Fledermäusen auf den Menschen wurde bis dato nicht belegt. Wir möchten allerdings auf die mögliche Übertragung von Tollwut (Lyssaviren) durch den Biss einer infizierten Fledermaus hinweisen, denn dies sind die bislang einzig bekannten Viren in Fledermäusen, die auch in Deutschland eine ernste Gesundheitsgefahr darstellen können. Für Personen, die aufgrund ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit im Fledermausschutz häufig mit Fledermäusen in Berührung kommen, wird deshalb sowohl die Impfung gegen Tollwut als auch gegen Covid-19 dringend angeraten. An dieser Stelle sei auf die Informationsmöglichkeiten durch das Friedrich-Löffler-Institut verwiesen. Die Übertragung von Infektionskrankheiten von Menschen auf Fledermäuse ist in jedem Fall zu vermeiden, um unabsehbare, negative Folgen für die Tiere zu vermeiden.

  4. Die wahrscheinlichsten Szenarien, basierend aus Erfahrungen vergangener Zoonosen, sind die Entstehung und Übertragung des SARS-CoV 2 auf den Menschen in einer Massentierhaltung, auf einem Wildtiermarkt oder einer Pelztierfarm. Massentierhaltungen und Wildtiermärkte, vor allem solche ohne veterinärmedizinische Kontrolle der Hygienestandards und des Tierschutzes, bergen ein hohes Risiko für die Entstehung von Zoonosen. Hier können, wie im Fall der Schweinegrippe oder vom ersten SARS-CoV und sehr wahrscheinlich auch von SARS-CoV 2, Krankheitserreger durch Wirtswechsel schnell mutieren und sich aufgrund der Tierdichte relativ schnell ausbreiten. Durch genetische Untersuchungen am SARS-CoV, dass bereits vor knapp 20 Jahren in China erstmals auftrat, konnte gezeigt werden, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Schleichkatzen (Viverridae) als Zwischenwirt für ein Fledermausvirus fungierten. Von Schleichkatzen ist dieses Virus auf den Menschen übergesprungen (zoonotischer Übergang) und war dann in der Lage, sich von Mensch zu Mensch zu verbreiten.

  5. Fledermäuse aufgrund einer vermeintlichen Gesundheitsgefahr zu bekämpfen, ist völlig unbegründet und darüber hinaus strafbar. Nachdem Fledermäuse als potentieller Ursprung der Covid-19-Pandemie dargestellt wurden, kam es in einigen Ländern zu Forderungen und Handlungen, die Tiere zu töten. Wir weisen darauf hin, dass jegliche Störung oder Tötung der streng geschützten Tiere in Deutschland sowie in der gesamten EU streng verboten und strafbar ist! Zudem würde eine gezielte Tötung von Tieren oder die Zerstörung ihrer Quartiere keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben, da keine Infektionen für einheimische Fledermausarten bekannt sind (siehe 1). Der Kern des Problems sind nicht Fledermäuse oder andere wilde Tiere mit ihrer natürlichen viralen Vielfalt, sondern der Mensch, der durch seinen Umgang mit den Tieren, der nicht-nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen und der damit verbundenen weltweiten Zerstörung intakter Ökosysteme, ein erhöhtes Risiko von zoonotischen Pandemien erzeugt.

  6. Das Naturschutz-Ehrenamt ist mit der universitären und außeruniversitären Forschung eng vernetzt und unterstützt die Wissenschaft. Die Erkenntnisse aus der Erforschung der viralen Vielfalt von Fledermäusen, insbesondere nach dem Auftreten des SARS-CoV zu Beginn des 21 Jahrhunderts, haben dazu beigetragen, dass in Deutschland bereits kurz nach dem Auftreten von SARS-CoV 2 Testverfahren zum Nachweis infizierter Personen flächendeckend in Laboren zur Verfügung standen, noch bevor Covid-19-Fälle in Deutschland auftraten. Die Ausbreitung von Covid-19 konnte daher durch sehr gute Labordiagnostik in Deutschland von Beginn an beobachtet werden. Auch weiterhin unterstützt der ehrenamtliche Fledermausschutz die Erforschung von Coronaviren bei Fledermäusen.

  7. Es ist unwahrscheinlich, dass Viren aus Fledermauskot (wie z.B. Coronaviren) eine unmittelbare Gesundheitsgefahr darstellen. Genetisch können humane SARS-Coronaviren in großen Mengen im Stuhl von infizierten Personen nachgewiesen werden. In frischem Kot von einheimischen Fledermäusen wurden nur geringe Mengen von verschiedenen Coronaviren (nicht SARS-CoV 2) nachgewiesen, welche nach bisherigen Kenntnissen für den Menschen nicht gefährlich sind. Dies legt den Schluss nahe, dass von Fledermauskot hinsichtlich Coronaviren keine Gefahr ausgeht. Es sei dennoch darauf hingewiesen, dass beim Umgang mit Fledermauskot immer grundlegende Schutzmaßnahmen beachtet werden sollten, da generell von Wildtieren stammender Kot möglicherweise andere Krankheitserreger beherbergen könnte. Die üblichen Hygienevorschriften sind strikt einzuhalten.

  8. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch Menschen SARS-CoV 2 auf Fledermäuse übertragen wird. Besonders gefährdet scheinen Fledermäuse aus der Familie Rhinolophidae (Hufeisennasen) zu sein. Für Arbeiten mit Fledermäusen im Fledermausschutz und in der Forschung sollte die „BAS -Strategie“: Bewerten-Anpassen-Schützen angewandt werden. Es besteht ein geringes, aber begründetes Risiko der Übertragung von SARS-CoV 2 von Menschen auf Fledermäuse. Bei allen Aktivitäten zum Schutz und zur Erforschung von Fledermäusen sollte das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV 2 auf Fledermäuse auf ein Minimum reduziert werden. Besonders gefährdet scheinen Fledermäuse aus der Familie Rhinolophidae (Hufeisennasen) zu sein, aufgrund der relativ engen Verwandtschaft von SARS-CoV 2 zu Coronaviren in Hufeisennasenarten. Um Gefährdungen im Vorfeld besser einzuschätzen und so gering wie möglich zu halten, sollte die „BAS -Strategie“: Bewerten-Anpassen-Schützen angewandt werden. Hierfür werden wirksame Maßnahmen für Personen empfohlen, die mit Fledermäusen arbeiten. Zusätzlich kann mit Hilfe des bereitgestellten Risikoermittlungsbogens, welcher auf Vorschlägen der IUCN Fledermausspezialistengruppe basiert, Risiken im Vorfeld der Arbeiten bewertet und abgewogen werden.

  9. Fledermäuse sind weltweit wichtige und unverzichtbare Akteure in Ökosystemen und wichtige Forschungsobjekte für die medizinische Forschung. Fledermäuse regulieren Schadinsekten in der Land- und Forstwirtschaft und sind in subtropischen und tropischen Ökosystemen von besonderer Bedeutung für die Verbreitung von Pflanzensamen und die Bestäubung wichtiger Nutzpflanzen. Aufgrund ihrer Biologie als fliegende Säugetiere und ihrer besonderen Sozialstrukturen (Fortpflanzungs- und Winterschlafgesellschaften in relativ großen Gruppen) haben sie im Laufe ihrer Evolution Eigenschaften erworben, die Ihnen bei der Eindämmung von Krankheitserregern große Vorteile bieten. Die Wissenschaft steht erst am Anfang, diese Anpassungen zu verstehen und daraus Erkenntnisse zu gewinnen, die für die Human- und Tiermedizin äußerst wertvoll sind.

  10. Die Wahrscheinlichkeit von zoonotischen Pandemien kann in Zukunft verringert werden, indem der Naturschutz und Tierschutz verbessert werden. Dazu ist es nötig, die Biodiversität in Natur- und Kulturlandschaften wirksamer zu schützen, in denen Tiere vom Menschen ungestört leben können. Dies sollte aus der Einsicht heraus erfolgen, dass intakte Lebensräume, inklusive einer hohen Vielfalt an darin vorkommenden Wildtierarten, langfristig auch für die menschliche Gesundheit wichtig sind. Es ist dringend notwendig, sowohl dem Arten- als auch dem Tierschutz einen höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft zu geben. Darüber hinaus ist es wichtig, die Jagd, den Handel und die Verwendung von Wildtieren mit zoonotischem Potenzial weltweit zu regulieren und stark einzuschränken.

Quelle: Informationsblatt-Fledermäuse-und-SARS-CoV-2_Version_2.0